Wie gründlich sind die Ermittlungen oder sind es nur Unterstellungen?
Das Hauptzollamt beschlagnahmt bei einer Baugesellschaft am Geschäftssitz alle Geschäftsunterlagen- ebenso an den Baustellen, wo die Gesellschaft tätig war und am Privatwohnsitz des Geschäftsführers.
- Vorwurf: Die Subunternehmer soll es gar nicht geben haben.
- Mit den Scheinzahlungen an diese sollen in Wirklichkeit die Überstunden eigener Mitarbeiter bezahlt worden sein.
- Das sei Schwarzarbeit und Sozialversicherungsbetrug in 400 Fällen.
- Die Rechnungen seien also nur “Abdeckrechnungen”.
- Wenn dies zuträfe, droht mehrjährige Haft.
Die Gesellschaft ist nach der Beschlagnahme aller Geschäftsunterlagen nicht mehr handlungsfähig und meldet die Insolvenz an. Der Bauleiter soll als faktischer Geschäftsführer auf den Einsatz der Mitarbeiter koordiniert haben. Die angeblich eingesetzten Subunternehmer habe er akquiriert- sie seien aber in Wirklichkeit Mitarbeiter gewesen. Dies soll sich aus Aufzeichnungen des Bauleiters in seinem Kalender ergeben.
- Kann es eine Verständigung geben oder nicht?
- Einlassung oder nicht?
- Konfliktverteidigung oder Kooperation?
- Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhaltes oder Abwarten?
Es gibt viele Varianten von Sozialversicherungsbetrug, die auf deutschen Baustellen vorkommen- aber tritt dies auf den vorliegenden Fall zu?
- das Subunternehmen existiert gar nicht
- das Subunternehmen existiert – erbringt aber keine Leistungen – legt Rechnung als Service
- der Subunternehmer ist in Wirklichkeit Angestellter/ Scheinselbständiger uvm.
I. Abdeckrechnungen oder nicht?
Aus Sicht der Ermittlungsbehörde reicht oft schon, dass gegen den Geschäftsführer der Rechnungsausstellerin ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung läuft.Woher soll das aber der Vertragspartner wissen, der den Subunternehmer einsetzt?
Was kann man im Verfahren einwenden oder was kann man prüfen/ prüfen lassen, wenn ein Beamter vom Hauptzollamt in der Strafverhandlung über seine Ermittlungen berichtet?
- Ist die Prüfung aller Konten und der Kasse des Rechnungsausstellers erfolgt?
- Wurden Ermittlungen zu Löhnen und Fremdleistungen und Zahlungen dafür angestellt?
- Wurden Versicherungen (Pkw- und Haftpflichtversicherung) und sonstige typischen Kosten bezahlt, die für ein solches echtes, wirtschaftlich existentes Unternehmen gezahlt werden müssten
- Gab es BWA´s, die Sie beschlagnahmt haben- haben Sie danach gesucht?
- Waren Kosten und Erträge des Subunternehmens hier branchenüblich oder nicht?
- Sind typischen Kosten, die bei einem echten Betrieb zwangsläufig anfallen, nicht entstanden und bezahlt worden
- Wurden – wenn das Unternehmen nicht wirtschaftlich existent aktiv war, alle Konten durchleuchtet? Gab es dazu eine Bafin Anfrage?
- Ist eine Servicegesellschaft zahlenmäßig irgendwie nachvollzogen worden?
- Konkreter: gibt es Servicezahlungen von 4 bis 8 Prozent oder mehr?
Wieviel waren es hier konkret und woraus entnehmen Sie dies? - Wohin flossen die 8 Prozent?
- Zum Beispiel auf das Konto der Ehefrau des Subunternehmers?
an einen Mitarbeiter vom Hauptauftraggeber als kick back? An den eigenen Bauleiter? Haben Sie so etwas geprüft? - Gab es keine Geldflussrechnung, was der Geschäftsführer auf Grund seiner Geschäfte verdiente und ausgegegeben hat? Gab es ersichtlichen Luxus?
- Kurzum: Existierte das Unternehmen hier real oder nicht?
- Wer hatte aus dem Geschäfts hier einen konkreten Vorteil gezogen?
Zum Subunternehmen:
- Eintragung im Handelsregister?
- Steuernummer?
- Steuererklärungen?
- Zahlungen an das Finanzamt?
- Seuerprüfungen?
- Steuerhinterziehung?
- Insolvenzverfahren?
- Anmeldungen von Forderungen des Finanzamtes?
- Forderungen der Sozialkassen angemeldet?
- Bilanzen erstellt? wann welche?
- Erkenntnisse aus den Bilanzen
- Büro: Mietvertrag Mietzahlungen
Büromöbel: Telefon, Fax, Homepage? - Geschäftsführer? tatsächlicher Geschäftsführer – faktischer Geschäftsführer?
- Katalog der faktischen Geschäftsführung gecheckt?
Mitarbeiter:
- Anstellungsverträge der Arbeitnehmer beim Subunternehmer?
- Anzahl der Stunden im Arbeitvertrag?
- tatsächliche Abrechnungen der Mitarbeiter?
- Gab es Lohnabrechnungen? Haben Sie danach gesucht oder recherchiert?
- Gab es Lohnbüro des Subunternehmers
- Gab es Lohnzahlungen beim Subunternehmer?
- Gab es Gespräche mit Mitarbeitern des Subuternehmens
- Welche Krankenkassen waren beim Subunternehmer beteilig?
- Meldungen an Krankenkassen- Zahlungen?
- Gespräche mit Mitarbeitern der Krankenkassen?
- Prüfungen durch die DRV (Deutsche Rentenversicherung)
Nach § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist es die Aufgabe der Rentenversicherungsträger, Betriebsprüfungen im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung durchzuführen. Diese Prüfungen sollen dem Gesetzt nach alle vier Jahre erfolgen und umfassen mitunter die vom Arbeitgeber durchgeführten versicherungsrechtlichen Beurteilungen der eingegangenen Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit. Zudem die in diesem Kontext abgegebenen Meldungen zur Sozialversicherung nach der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEUV) sowie die Richtigkeit der abgeführten Beitragszahlungen. § 28 p SGB IV lautet:
(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt.
Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält.
Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Absatz 2 sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 des Zehnten Buches nicht. Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt abweichend von Satz 1 die Prüfung für die bei ihr versicherten mitarbeitenden Familienangehörigen vor.
II. Wesentliche Infos über SV-Beiträge zur persönlichen Haftung und zur Strafbarkeit
1. Der Hauptfall:
in der Krise werden nur die Nettolöhne bezahlt, aber keine SV Beiträge. Der Geschäftsführer haftet für die nicht abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung persönlich aus unerlaubter Handlung und macht sich strafbar.
Um dies zu vermeiden, muss der Geschäftsführer Liquiditätsreserven bilden und bei der Auszahlung von Lohn immer gleichzeitig SV Beiträge bezahlen. Notfalls in gekürzter Form den Lohn bezahlen.BGH, Urt. v. 21. Januar 1997 – VI ZR 338/95, BGHZ 134, 304, 308 ff; Beschl. v. 28. Mai 2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 321 ff; v. 30. Juli 2003 – 5 StR 221/03.
2. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist vom Arbeitgeber zu zahlen, § 28 e Abs.1 Satz 1 SGB IV.
3. Die Einzugsstelle hat die Aufgabe, den Eingang der Zahlungen zu überwachen.
4. Der Geschäftsführer ist vertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft, § 35 Abs.1 GmbHG.
5. Der Geschäftsführer muss dafür sorgen, dass die Beiträge abgeführt werden, BGH vom 15.10.1996 VI ZR 319/96
6. Durch die Nichtabführung werden die Beiträge gemäß § 266a Abs. 1 StGB vorenthalten.
7. Auch ohne Nettolohnzahlung besteht eine Haftung, wenn keine Vorsorge getroffen wurde, vgl. BGH 16.5.2000 VI ZR 90/99 ZIP 2000, 1339 ff.
8. Die Fälligkeit der Beiträge ist in § 23 Abs.1 IV SGB geregelt: spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig.
III. Verteidigungsansätze:
1. Ist man überhaupt Täter mit einer Tätereigenschaft?
- tauglicher Täter im Sinne des § 14 StGB
- Arbeitgeber bzw Geschäftsführer
- auch faktischer Geschäftsführer (266a Rdnr.5)
- gleichgestellte Personen gemäß 266 a (5) StGB, Fischer Rdnr. 7
- Bevollmächtigte?
- Gesellschafter mit Handlungsvollmacht?
- Wer war vor Ort?
- Wer hatte Nutzen?
- Wer hat Arbeitnehmer angeleitet?
- tatsächliches Arbeitsverhältnis- nicht vertragliche Beziehung ist maßgeblich, vgl Fischer StGB 266 a Rdnr. 4 a.
- Subunternehmereinsatz: Check Subunternehmerstellung und -eigenschaft
2. Vorenthalten von Arbeitnehmer- Beiträgen (§ 266a Abs.1)
2.1. Tatsächlich geschuldete Beiträge Arbeitnehmeranteile
- Mitgeteilt oder geschätzt oder
- nachberechnet?
- Welche Arbeitnehmer?
- Bei welcher Krankenkasse?
- Zu welchem Arbeitsentgelt beschäftigt?
2.2. Gemeldete Beiträge
2.3. Bezahlte Beiträge
- wann
- auf was und
- wie wurden sie verbucht?
- erfolgten Teilzahlungen?
- wie wurden diese verbucht?
- Verbuchung nach BeitragsverfahrensVO idF. vom 21.12.2008, vgl Fischer 266a Rdnr. 11 a (gleichmäßig auf fällige Arbeitnehmer und Arbeitgeberanteile)
- gab es Tilgungsbestimmung zur Verrechnung auf Arbeitnehmeranteile? Zulässigkeit vgl. Fischer § 266a Rdnr. 11a S. 2135 2.4.
2.4. Tatsächlich begründete offene Beiträge
Bei der angeblichen Veruntreuung von SV-Beiträgen, insbesondere AN-Anteile, steht die Frage der Haftung für SV-Beiträge und auch Löhne.
2.5. Fälligkeiten der Beiträge
- gegebenenfalls Stundungen (Stundungen setzen die Fälligkeit hinaus, vgl. Fischer § 266a Rndr. 11 a)
2.6. Keine Unmöglichkeit der Zahlung
- aus rechtlichen oder
- tatsächlichen Gründen, vgl. Fischer StGB Kommentar § 266a Rdnr. 15, mvN(BGH)
- Zahlungsunfähigkeit: Fischer StGB Kommentar § 266a Rdnr. 15
- Existenzsicherung, Fischer StGB Kommentar § 266a Rdnr. 17b
3. Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz oder
- bedingter Vorsatz
- War Stellung als Arbeitgeber und als derjenige, der abführen muss, bekannt? Vgl. Fischer § 266a Rdnr. 23
4. Absehen von Strafe § 266a (6)
- Strafausschließungsgrund
- Offenbarung der Zahlungsunfähigkeit und Ausgleich, vgl. Fischer Rndr. 3.
5. Schuldfähigkeit
-
- vermindert
- ausgeschlossen