Manche nutzen die Not für krumme Geschäfte: Wann liegt eine Täuschung vor?
In Zeiten von Corona gibt es Angebote von Produkten, die man jetzt dringend braucht, bestellt, aber dann gar nicht geliefert bekommt. Zahlreiche Opfer bestellten auf einer Auktionsplattform im Internet 1 Liter Desinfektionsmittel für 45 Euro und überwiesen den Kaufpreis. Das Mittel kam nie an – das Geld war weg, Augsburger Allgemeine vom 29.03.2020.
- Internet is both a blessing and a curse (ein Segen und Fluch zugleich).
- Vorsicht ist geboten und Aufklärung.
Der Betrug ist das wichtigste Delikt zum Schutz des Vermögens. Die Tat ist als Verbrechen eingestuft, wenn Sie banden- und gewerbsmäßig begangen wird.
- Nachfolgend möchte ich Aufklärungshilfe über den Tatbestand des Betrugs leisten.
I. Der Wortlaut des Betrugstatbestandes § 263 StGB:
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
- einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
- eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt
II. Check der Strafbarkeit und eines Schadensersatzanspruchs
1. Objektiver Tatbestand des Täters
- a) Täuschung
Täuschungsgegenstand muss eine Tatsache sein.
Tatsachen sind alle konkreten Geschehnisse und Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die äußere oder innere Vorgänge betreffen und dem Beweis zugänglich sind.Ein Beispiel: Wer eine Ware oder Dienstleistung oder Werkleistung bestellt, sie aber nicht bezahlen will, täuscht über die aktuelle innere Tatsache seines Erfüllungswillens im Zeitpunkt der Fälligkeit.Auch Werturteile oder Meinungen können einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthalten, der Gegenstand einer Täuschung sein kann.
Beispiel: Wer ein Wundergerät vertreibt mit Geldzurückgarantie, erklärt schlüssig, dass das Produkt wenigstens im Kern die angepriesene Wirkung hat, BGHSt 34, 199.Die Täuschung ist die intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen durch ausdrückliche oder schlüssige Behauptung unwahrer Tatsachen.Beispiel: Wer im Internet kostenlose (Teil)Leistungen anbietet, täuscht schlüssig die Kostenlosigkeit vor, wenn die Entgeltlichkeit durch eine irreführende Gestaltung des Seite oder durch versteckte Hinweise verschleiert wird, vgl. BGH Urt. v .5.4.3024 -2 StR 616/12.Anderes Beispiel: Wer eine Rechung stellt, erklärt damit schlüssig, dass er die in der Rechnung zugrunde liegenden Leistungen erbracht hat, BGH NStZ 1994, 188.
Häufige Fälle sind schlüssige Täuschungen über die Erfüllungsfähigkeit.
Beispiele: Der Verkäufer gibt konkludent zu verstehen, zur Lieferung und zur Übertragung imstande zu sein. Oder bei einem Pflegevertrag, dass man die angepriesene Pflegerin auch zur Verfügung hat oder bei einem Reparaturauftrag, dass man die angepriesene Reparatur auch tatsächlich ausführen kann.
Hauptfall: Wer Waren oder Dienstleistungen bestellt in Kenntnis seiner Zahlungsschwierigkeiten, täuscht schlüssig über die aktuelle innere Tatsache seines Zahlungswillens im Zeitpunkt der Abrechung.
Wer in einem Prozess einen Betrag einklagt, obwohl der Betrag bereits erfüllt ist, die andere Seite aber keine Quittung mehr hat, täuscht schlüssig durch Einreichung der Klage, dass der Vortrag der Wahrheit entspricht (wegen Wahrheitspflicht im Zivilprozess gemäß § 138 Abs.1 ZPO).
- b) (Täuschung oben a.) dadurch Irrtum erregt
Für die Frage der Irrtumserregung ist der Umstand, dass der Getäuschte bei hinreichend sorgfältiger Prüfung die Täuschung hätte erkennen können, unerheblich (BGH, Urteil vom 25. Juli 2000-1 StR 162/00-NJW 2000, 3013, 3014).
- c) (Irrtum erregt, oben b.) dadurch unmittelbare Vermögensverfügung
Eine Vermögensverfügung setzt ein Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten voraus, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt (BGHSt 14, 170, 171). - d) dadurch Vermögensschaden oder eine diesem gleichstehende Vermögensgefährdung.
Das Verhalten muss unmittelbar einen Vermögensschaden herbeiführen.Der bekannteste Fall der Vermögensgefährdung und -minderung ist der Eingehungsbetrug. Dieser kommt bei Austauschverträgen vor. Ein Eingehungsbetrug liegt vor, wenn schon in der täuschungsbedingen Eingehung der rechtgeschäftlichen Verpflichtung als solcher wirtschaftlich gesehen eine Belastung des Vermögens liegt und der Verpflichtung kein gleichwertiger Anspruch gegenübersteht. Der für § 263 StGB maßgebliche Vermögensschaden muss unmittelbar zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung entstehen, BGH, Beschluss vom 28.06.2017 – 4 StR 186/17. Eine Vermögensgfährdung liegt auch vor, wenn dem Getäuschten Rechte zustehen, sich vom Vertrag zu lösen, dies aber von der anderen Seite bestritten wird.
- e) Ursächlichkeit
Die Verfügung/Zahlung muss ursächlich auf den von dem späteren Geschädigten hervorgerufenen Irrtum zurückzuführen sein. Als haftungsbegründende Ursache eines strafrechtlich bedeutsamen Erfolges ist jede Bedingung anzusehen, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (BGHSt 39, 195, 197 f.; 39, 322, 324).
- f) Zurechnungszusammenhang
Zwischen dem deliktischen Verhalten des Beklagten und dem eingetretenen Schaden muss ein Zurechnungszusammenhang bestehen, BGH vom 2. Februar 1988 – VI ZR 133/87 – VersR 1988, 736.
- g) Entfallen der Haftung?
Die Haftung des Beklagten könnte unter dem Gesichtspunkt rechtmäßigen Alternativverhaltens entfallen. Dem Schädiger ist in der Regel ein Schaden dann nicht zuzurechnen, wenn er auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden wäre (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1999-X ZR 30/98-NJW 2000, 661, 663).
2. Subjektiver Tatbestand des Täters
- Vorsatz: Der Täter muss Wissen und Wollen bezüglich der Tatbestandverwirklichung haben.
Der Tätervorsatz muss sich auf alle Merkmale des objektiven Straftatbestandes beziehen. Für alle objetiven Tatbestandsmerkmale genügt bereits bedingter Vorsatz also dolus eventualis.
- Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern
Bereicherungsabsicht in diesem Sinne ist nur dann gegeben, wenn es dem Täter auf die Erlangung eines dem Vermögensschaden des Getäuschten entsprechenden Vermögensvorteils ankommt, auf den er keinen Anspruch hat (vgl. BGHSt 6, 115, 116; 34, 379, 391). - Mitverschulden des Geschädigten durch Leichtsinn?
Die Abwägung der Verantwortlichkeiten von Schädiger und Geschädigtem gehören in den Bereich tatrichterlicher Würdigung. Der Vorsatz des Schädigers darf aber nicht schlechthin zum Freibrief für jeden Leichtsinn des Geschädigten werden (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 – VIII ZR 19/91 – NJW 1992, 310, 311).
3. Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung und Vorsatz diesbezüglich
4. Rechtswidrigkeit als allgemeines Verbrechensmerkmal
5. Schuld
6. Besonders schwerer Fall nach § 263 Abs.3, Abs.4 StGB
7. Antrag § 263 Abs.4 i.V.m. § 247, 248 a
Die Punkte 3 bis 5 spielen meistens keine großen Rolle. Sie lassen sich leicht nachweisen. Ob ein besonders schwerer Fall vorliegt, bedarf weiterer Prüfungen. Zentral sind die erstbenannten Punkte: Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung.
Ich hoffe, die Ausführungen zur Täuschung helfen Ihnen weiter.
Für Mandatsanfragen in Sachen Betrug und interessante schriftliche Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.